Anfang April und beste Stimmung unter den Karatekas. Zum achten Mal veranstaltete die Karateabteilung des TSV Grünwald e. V. einen sehr gut besuchten Lehrgang mit Fritz Oblinger (9. Dan Karate). Zwei Ren Shu Ho Katas und die Kata Bassai Sho - alle standardisierte Übungsformen im Karate - waren die zentralen Themen an diesem intensiven Trainingstag.
Viele der angereisten Karatekas verbanden bereits mit der Bassai Sho einige Selbstverteidigungsformen (jap.: Bunkai). Über eine Ren Shu Ho Form kann ein Trainer jedoch seine Schwerpunkte wirkungsvoll demonstrieren. Es ist wie Steno zum schnellen Üben und Erinnern, jedoch immer vor dem Hintergrund der traditionellen Ursprungskata. Daher bietet eine Ren Shu Ho Kata unzählige Variationen des Karate-Do für Trainer und Karatekas.
An diesem Samstag waren die Formen der beiden Katas Heian Shodan und Heian Yondan an der Reihe. Und nun begann der Spaß am Experimentieren. Fritz Oblinger durchbrach das gewohnte Schema jener beiden - bereits x-Mal geübten - Katas, die als Ursprung dienten. Er veränderte ihre Abläufe, die sich über Jahre hinweg in den Köpfen der Sportler*innen eingebrannt hatten.
Das Spannende war nun die Frage, wie neue Übungsformen entstehen sollen, wenn Kopf, Füße und Hände gezwungen werden, alte und bekannte Abläufe aufzugeben? Fritz beantwortete diese Frage aus seiner großen, umfangreichen Erfahrung heraus. Unter seiner fachkundigen Anleitung entstanden neue Übungsformen aus alten Mustern. Bester Wein in neuen Schläuchen!
So veränderte sich der Schritt nach vorne – der in den Originalkatas bereits hunderte Male trainiert worden war –, zu einer plötzlichen 90°-Drehung mit Schritt nach hinten (siehe Foto). Fritz Oblinger brach lieb gewonnene Bewegungsmuster auf und setzte sie neu zusammen. Die Sportler*innen lernten so, sicherer und selbstbewusster mit den traditionellen Quellen-Katas umzugehen.
„Sehr intensiv“ kommentierte ein Karateka seine Erfahrung während der Mittagspause. Die Partnerin, die immer mitgedacht hatte, wurde gelobt. Erstaunt stellten viele fest, wie viel Selbstverteidigung man aus der höheren Kata Bassai Sho „herausholen kann“. Manche lobten aber erst einmal ausgehungert die „Fleischpflanzerl“ und die „Schoko-Brownies“. Willkommene Komplimente an die Organisatoren in Grünwald. Andere bemerkten, „Wie immer ein Super-Lehrgang.“
Am Nachmittag pflegte Fritz Oblinger weiterhin seine Liebe zum Detail. Er präsentierte in der Bassai Sho, die von vielen kreisförmigen Abwehr- und Angriffsbewegungen lebt, wie wichtig die Verlagerung des Gewichtes ist. Die Teilnehmer lernten Hebel, um Tritte und Schläge zu ergänzen.
Mehr Einzelheiten folgten. Er zeigte, dass der Einsatz der Faust von Varianten lebt. Es ist ein Unterschied, ob die Faust beim Zuschlag vertikal oder horizontal steht. Die Beschäftigung mit diesem kleinen Detail geht weit zurück. Im Okinawa des 19. Jahrhunderts hatte Itosu Anko - der Lehrer der meisten Stilbegründer im Karate - den Faustschlag auf eine horizontale Haltung der Knöchellinie umgestellt. Es war nur eine seiner vielen schonenden Umstellungen, um Karate für den Schulsport attraktiv zu machen.
Aber es brauchte nicht nur die Faust zu sein. Der Teufel im Detail erstreckt sich auch auf den Stand. „Mit beiden Füßen auf dem Boden - mehr Energie fließt beim Zuschlagen nach unten. Aber steht man auf einem Fuß, dann fließt mehr eigene Energie direkt zum Gegner hinüber.“ Und was passiert, wenn man gleichzeitig springt, während man zuschlägt? „Alle Energie, die man aufbringt, geht zum Gegner hinüber“, erklärt Fritz Oblinger mit einem Lächeln.
Natürlich ist schon der nächste Lehrgang mit Fritz Oblinger beim TSV Grünwald e.V. ausgemacht. Sein neunter Lehrgang findet in Grünwald am 18. April 2026 statt. Genug Zeit, um bis dahin den Kopf für Neues aus dem Karate freizubekommen.
Peter Henkel
Erschienen:
- BKB Homepage, April 2025
- Grünwalder Isar-Anzeiger, 24.04.2025