Oberstes Ziel in der Kunst des Karate ist weder Sieg noch Niederlage, sondern die Vervollkommnung des Charakters und des Körpers

Gichin Funakoshi (1868 - 1957)

Wie entstand Karate?

Karate, so wie wir es heute kennen (oder nicht kennen), wurde zweifellos auf der japanischen Insel Okinawa (eine der Ryukyu-Inseln) gegründet. Doch seine Anfänge kann man bis ins 6. Jahrhundert nach Christus bis nach Indien verfolgen. Von dort kommt nämlich der buddhistische Mönch Bodhidharma, der ins südliche Zentralchina reiste, um die Lehre des Zen-Buddhismus zu verbreiten. Schüler des Bodhidharma, Mönche des Klosters "Shaolin" (deutsch: Kloster des kleinen Waldes) entwickelten das berühmte "Shaolin-Kung-Fu". Mit dem Zen-Buddhismus gelangt diese Art der Selbstverteidigung im zwölften Jahrhundert nach Okinawa. Da Okinawa eine von Chinesen und Japanern umkämpfte Insel war, beeinflusste es seit etwa dem 14. Jahrhundert die dortigen Kampfsysteme (To-de, Okinawa-Te). Im 20. Jahrundert wurde Karate durch den Meister Gichin Funakoshi in ganz Japan verbreitet. Von dort gelangt es zu uns nach Europa.

Was ist Karate?

Das Karate, das die meisten Leute kennen, ist leider oftmals ein verzerrtes Bild aus irgendwelchen Filmen. "Karate als exotische Kampfart für Schlägereien!" - Eine eindeutig falsche Interpretation! Denn einer der Leitsätze von Meister Funakoshi lautet: "Karate ni sente nashi." - "Es gibt im Karate keine Angriffe." Dieser Satz zeigt, dass Karate nicht dazu da ist, um irgendwelche Schlägereien anzuzetteln. Ganz im Gegenteil, der Karateka geht den Weg der Harmonie. Er kämpft nur dann, wenn er angegriffen wird und keinen anderen Weg zu einer gewaltfreien Konfliktlösung sieht. Das eigentliche Ziel des Karate: "Thai" (der Körper), "Ghi" (die technische Geschicklichkeit) und "Shin" (Geist). Am Anfang trainiert man den Körper, danach einzelne Techniken. Die Technik wird verfeinert und mit der Zeit soll der Geist daran beteiligt werden.

Karate als Kampfsportart in Europa

Jeder hat die Möglichkeit, Karate in den meisten Sportvereinen zu erlernen. Dennoch sollte man sich genau überlegen, was man damit erreichen will. Denn Karate ist eine teure und zeitaufwendige Sportart. Denn bis man wirklich die Früchte des Trainings erntet, können etwa vier Jahre vergehen. Solange dauert es etwa, bis man die Reflexe für diese Art der Selbstverteidigung hat. Wer also folglich Karate für Schlägereien lernen will, verschwendet nur Zeit und Geld. Außerdem werden solche Leute nicht gerne in den Dojos gesehen. Es kann bis zum Ausschluß vom Training führen. Damit ihr mal seht wie so ein Training aussieht, beschreibe ich eine Trainingseinheit, wie sie normalerweise im Kindertraining des Karate-Dojos des TSV Grünwald abläuft:

  1. Mukozou
    Am Anfang jedes Trainings steht das Mukozou. Das ist eine etwa einminütige Meditation, in der der Karateka seinen Kopf für das kommende Training frei machen soll. Oder anders gesagt, man darf für die nächsten eineinhalb Stunden vergessen, dass man noch etwas für die Schule machen muss.
  2. Aufwärmtraining
    Wie in anderen Sportarten ist das Aufwärmtraining sehr wichtig. Da die einzelnen Techniken ungewohnte Bewegungsabläufe für den Körper sind, kann man sich sehr leicht irgendwelche Muskelzerrungen holen. Manchmal werden zum Aufwärmen Spiele mit phantasievollen Namen wie Karate-Ball oder Sitzfangen gespielt. Das sind dann abgeänderte Spiele wie Jägerball oder andere bekannte Sportspiele. Danach werden Dehnübungen gemacht. Zum Abschluss läuft man zum Einlaufen einige Bahnen mit den Grundtechniken.
  3. Kihon, Kata und Kumite
    Nun beginnt das eigentliche Training. Dafür wird die Gruppe nach Gürtel sortiert aufgeteilt. Es werden dann folgende Dinge geübt:
    Kihon: Wie im Aufwärmtraining werden die Grundtechniken auf Bahnen gelaufen. Nun aber soll die Technik verfeinert werden oder es werden neue Techniken gelernt.
    Kata: Die Kata ist eine Art Scheinkampf mit mehreren Gegnern. Die Kata ist ein festgelegter Ablauf von mehreren Techniken aus dem Kihon, die zur Verteidigung gegen mehrere imaginäre Gegner dienen. Es gibt etwa 50 verschiedene Katas. Für einen Außenstehenden mag eine Kata wie ein seltsam anmutender Tanz aussehen.
    Kumite: Das ist nun der Kampf mit einem "echten" Gegner. Da dieser Kampf mit einem Mitschüler ausgeführt wird, basiert das Kumite auf Respekt und und Höflichkeit. Ein Karateka darf auf keinen Fall seinen Mitschüler verletzen. Am Anfang sind die Angriffe und Verteidigungstechniken abgesprochen, weil der Anfänger seine Techniken noch nicht ganz unter Kontrolle hat. Für Fortgeschrittene gibt es den "Freikampf". Der Angriefer hat mehrere Techniken zur Auswahl und der Verteidiger muss eine entsprechende Verteidigungstechnik anwenden. Je mehr Techniken zur Auswahl stehen, desto schwieriger wird es für den Verteidiger, richtig abzuwehren.
  4. Mukozou
    Zum Abschluss des Trainings wird noch einmal eine Meditation gemacht. Der Karateka soll sich dabei Gedanken über das gerade eben Gerlernte machen.

Spezialtrainingseinheiten

Etwas besonderes in diesem Dojo sind die Spezialtrainingseinheiten. Anstatt des üblichen Trainings werden verschiedene Sachen ausprobiert. Praktisch sind die Selbstverteidigungseinheiten. In kürzester Zeit wird gelernt, wie man sich mit simplen Techniken verteidigen kann. Auch etwas besonderes ist das Kobudo-Training. Das ist zum Beispiel das Waffentraining mit einem 90 cm langen (Hanbo) oder 180 cm langen (Bo) Stock. Highlight des Jahres ist die Wochenendfahrt zum Zelten an den Staffelsee. Mit den Trainern wird das ganzen Wochenende ein wenig trainiert. Ansonsten wird dort sehr viel Unsinn gemacht. Im großen und ganzen jedes Jahr eine wundervolle und spaßige Aktion.

Karateprüfung?

Wie in der Schule kann man im Karate durchfallen oder eine höhere Stufe erreichen. Die Stufen sind durch die Farben der Gürtel unterscheidbar. Die beliebteste Frage an einen Karateka ist die Frage nach den Farben der Gürtel. Also liste ich sie hier vom niedrigsten bis zum Höchsten auf: 9. Kyu (weiß), 8. Kyu (gelb), 7. Kyu (orange), 6. Kyu (grün), 5.-4. Kyu (blau oder lila), 3.-1. Kyu (braun) und letztendlich 1.-9. Dan (schwarz). In der Prüfung wird Kihon, Kumite und Kata abgefragt. Die Prüfung ist dann europaweit offziell gültig.

Ich hoffe, dass der Artikel euch einen interessanten Einblick in die Welt des Karate gibt. Und dass wenigstens bei Euch das Klischee einer exotischen Prügelart wegfällt. Wenn ihr euch noch mehr für Karate interessiert oder einfach mal einem Training zuschauen wollt, könnt ihr im Internet nachsehen unter:

  • http://www.karate-do.de/ (mehr Informationen über Karate)
  • http://www.karate-dkv.de/ (offizielle Karate-web-page des Deutschen Karate Verbands)
  • http://www.karate-gruenwald.de/ (falls ihr ein wenig mehr über das Training des TSV Grünwald erfahren wollt)

Joan Klatt

Erschienen:

  • Underground - Schülerzeitung des Albert-Einstein-Gymnasiums München, Ausgabe 2/04